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Friedrich Wilhelm Weber, dessen Epos Dreizehnlinden ein deutsches Literaturereignis des ausgehenden 19. Jahrhunderts war und bis heute in der Region und darüber hinaus Spuren hinterlassen hat, wurde 1813 in Alhausen bei Bad Driburg geboren. Weber war Arzt, preußischer Politiker und Dichter. Seit 1887 lebte er in Nieheim, wo er 1894 starb und auf dem dortigen Friedhof beerdigt ist. Neben seinen Epen und adäquaten Übersetzungen, vorwiegend aus skandinavischen Sprachen, liegt ein umfangreiches lyrisches Werk vor, das Weber als zeitgenössisch wie politisch interessieren, sozial engagierten und poetisch vielseitigen Dichter ausweist und das wesentliche Dichtungstraditionen ebenso fortsetzt wie es moderne Entwicklungen gerecht wird.

aus: Rüdiger Bernhard, Lesebuch Friedrich Wilhelm Weber, Aisthesis Verlag

Webers Leben als Zeittafel

1813 Friedrich Wilhelm Weber wird am 1. Weihnachstag in Alhausen bei Driburg geboren
1826 Schüler des Gymnasiums „Theodorianum“in Paderborn.
1833 Abschluss der Gymnasialzeit mit bestandenem Abitur. Er hatte eine besondere Gabe für Sprachen und Geschichte.
1834 Beginn des Medizinstudiums an der Universität Greifswald.
1836 Zweimonatige Reise nach Schweden. Fortsetzung des Medizinstudiums in Breslau. Zusammentreffen mit Gustav Freytag und Hoffmann von Fallersleben.
1837 Rückkehr nach Greifswald und Arbeit an der Dissertation.
1838 Promotion zum Doktor der Medizin. Inhalt der Doktorarbeit war der Aufbau des Kropfes.
1840 Medizinisches Staatsexamen in Berlin, anschließend Reise nach Wien, Rom, Neapel und Paris. Auf dieser Südlandreise erweiterte er seine medizinischen und poetischen Kenntnisse.
1841 Beginn der ärztlichen Praxis in Alhausen. Nach dem Ausbruch einer Typhus-Epidemie in Driburg verlegte er seine Praxis in die Badestadt. Hier wirkte er u.a. 26 Jahre als Arzt.
1849 Übersetzung des Epos „Axel“ von Esaias Tegnér.
1850 Heirat mit Anna Gipperich aus Düren in ­Meschede. Die Trauung vollzog sein Bruder Konstanz.
1851 Geburt der Tochter Anna Friederike Elisabeth am 13. Februar.
1854 Es entstand die Dichtung „Eisenbahnphantasie“.
Stadtverordneter in Driburg, bis 1860
1856 Brunnenarzt in Lippspringe während der Sommermonate, bis 1865
1858 Herausgabe der Schrift „Die Arminiusquelle zu Lippspringe”
1862 Mandatsträger im Preuß. Abgeordnetenhaus in Berlin für den Wahlkreis Höxter/Warburg, bis 1893
1863 Verleihung des Titels „Sanitätsrat“
1867 Geburt des Sohnes Friedrich Wilhelm in Driburg
1867 Übersiedlung von Driburg in das ­Wasserschloss Thienhausen zu seinem Freund Freiherr G. v. Haxthausen, einem Vetter der Droste.
1869 Veröffentlichung der Übersetzung der ­Gedichte „Enoch Arden“ und „Aylmer‘s Field“ von A. Tennyson
1872 Herausgabe eines Bandes schwedischer Volkslieder in deutscher Übersetzung mit entsprechenden Singweisen
1874 Übersetzung des Gedichtes „Maud“ von A. Tennyson
1878 1. Ausgabe des Epos „Dreizehnlinden“ ­erscheint im Buchhandel. Inhalt ist die Bekehrung der Sachsen zum Christentum
1880 Ernennung zum Ehrendoktor der ­philosophischen Fakultät der Universität Münster
1885 Herausgabe der „Marienblumen“, einer Dichtung zu Illustrationen von Wilhelmine Ittenbach
1887 Erwerb und Bezug eines eigenen Hauses in Nieheim und Veröffentlichung der Dichtung „Das Vaterunser“ zu Bildern von Paul Thumann
1888 Auszeichnung mit dem Titel „Geheimer Sanitätsrat“. Außerdem erhielt er vom Papst den „Gregoriusorden“ und vom Kaiser den „Rothen Adler Orden“.
1892 Herausgabe des Epos „Goliath“ und der Dichtung zu Bildern von P. Molitor: „Das Leiden unseres Heilandes“
1894 Dr. Friedrich Wilhelm Weber, der „Sänger von Dreizehnlinden“, stirbt am 5. April in Nieheim
1896 Herausgabe des Gedichtbandes „Herbst­blätter“ im Buchhandel (Veröffentlichung wurde von Weber noch selbst vorbereitet)

Stationen seines Lebens und Wirkens

Bedeutung und Einordnung

Der Name Friedrich Wilhelm Webers ist mit dem Nethegau untrennbar verbunden. Der Raum und die darin lebenden Menschen waren die Heimat einer herausragenden Persönlichkeit, die tiefe Spuren hinterlassen hat. Als Arzt wurde Weber weiterhin sehr geschätzt, als Dichter fand er im gesamten deutschen Sprachraum Anerkennung, als Abgeordneter des Wahlkreises Warburg-Höxter gehörte er mehr als 30 Jahre lang dem preußischen Abgeordnetenhaus in Berlin an.

Eltern, Jugend, Schule und Studium

In dem Dörfchen Alhausen, östlich von Driburg, wurde Weber am ersten Weihnachtstag des Jahres 1813 geboren. Zusammen mit zwei Brüdern und einer Schwester wuchs er in einer harmonischen Familiengemeinschaft auf. Der Vater, Förster in Diensten des Grafen von Asseburg, wusste die große Liebe zur Natur, die ihm eigen war, auch in seinem Sohn zu wecken. Die Mutter, welche aus dem nicht weit entfernten Dorf Riesel stammte, besaß den Sinn für das Hohe und Schöne und eine reiche Phantasie, Eigenschaften, die in gleicher Weise dem Sohn geschenkt waren. Während der Vater evangelisch war, gehörte die Mutter dem katholischen Glauben an, in dem auch die Kinder erzogen wurden. Der kleine Friedel verbrachte eine unbeschwerte und sonnige Kinderzeit.

Diese fand ihr Ende, als er mit 13 Jahren sein Vaterhaus verlassen musste, um nach Paderborn überzusiedeln. Hier besuchte er das Gymnasium Theodorianum, an dem er 1833 das Abitur bestand. Während der Gymnasialzeit zeigte sich bei ihm eine besondere Gabe für Sprachen und ein großes geschichtliches Interesse. Auch unternahm er die ersten Reimversuche, die immerhin so erfolgreich waren, dass sie öfter die Anerkennung seiner Lehrer fanden. Im April des Jahres 1834 begann Weber dann sein Studium der Medizin an der Universität in Greifswald. Hier freundete er sich mit einem schwedischen Mitstudenten an, der ihn zu einem Besuch seiner Heimat einlud. Im Sommer 1846 kam er dieser Einladung nach. Stark beeindruckt von dem nordischen Land und seinen Menschen kehrte er nach zwei Monaten nach Deutschland zurück. Unvergessen blieben ihm die schwedischen Volkslieder, die er zusammen mit seinem Freund und dessen Schwester am Herdfeuer gesungen hatte. Viele von ihnen übertrug er später noch in die deutsche Sprache und ließ sie mit der dazugehörigen Singweise von seiner Tochter aufzeichnen. 1871 hat es sie veröffentlich. Im Wintersemester 1836/1837 setzte Weber seine Studien in Breslau fort. Er traf hier mit Gustav Freytag, dem Autor von „Soll und Haben“ zusammen. Er begegnete auch Hoffmann von Fallersleben, dem Dichter des Deutschlandliedes, der hier als Universitätslehrer tätig war. Nur ein Semester lang blieb Weber in Breslau. Dann zog es ihn wieder nach Greifswald zurück, wo er bald mit seiner Doktorarbeit begann. „De Struma“ (Über dem Kropf) war das Thema, das er in lateinischer Sprache abzuhandeln hatte.

Wirken als Arzt

Am 20. Dezember 1838 wurde ihm dann nach einem sehr guten Examen der akademische Grad des Doktors der Medizin verliehen. Die ärztliche Staatsprüfung legte er 1840 mit höchster Auszeichnung in Berlin ab. Im gleichen Jahr reiste er als Begleiter eines wohlhabenden Studienfreundes durch Österreich, Italien und Frankreich. Wien, Vendig, Rom und Neapel mit Pompeji waren die Stationen dieses Reise, ehe er über Marseille nach Paris kam, wo er durch Tätigkeiten in Krankenhäusern und den Besuch von Vorträgen namhafter französischer Ärzte sowohl seine praktischen als auch theoretischen Kenntnisse in der Medizin erweitern konnte.

So begann er zunächst eine Praxis in seinem Heimatdorf Alhausen. Hier fand er jedoch nicht genügend Beschäftigung. Daher ließ er sich im Frühjahr 1841 als Arzt im benachbarten Driburg nieder. Sein fachliches Können und sein unermüdlicher Einsatz brachten ihm ein überaus großes Vertrauen seiner Patienten ein, das er bis zu seinem Lebensende nicht wieder verlor. „Der rechte Arzt betrachtet sein Amt als Priestertum, er tut Tempeldienst, wenn er sich um seine leidenden Brüder müht“.
Aufgrund seines guten Rufes als Mediziner wurde Weber 1856 zum Brunnenarzt in Lippspringe berufen. Neun Jahre übte er dieses Amt in den Sommermonaten aus und trug sehr zu einem weiteren Aufstieg des Bades bei. In der 1858 erschienenen Schrift „Die Arminiusquelle zu Lippspringe“ hat er diese, seine zweite Wirkungsstätte, ausführlich beschrieben. Seine erfolgreiche Arbeit als Brunnenarzt wurde 1863 durch die Verleihung des ­Titels eines Sanitätsrates anerkannt.

Politiker

Zwei Jahre später, 1865, veranlassten ihn gesundheitliche Gründe, sein badeärztliches Amt aufzugeben. Neben seiner ärztlichen Tätigkeit nahm Weber am politischen Geschehen seiner Zeit immer regen Anteil. Schon als Student hatte er seine eigenen politischen Vorstellungen. Er lehnte jede staatliche Zersplitterung und die Unterdrückung des Strebens nach politischer Mitbestimmung entschieden ab. Seine politische Grundeinstellung hat Weber auch in späteren Jahren beibehalten. Im Zuge der Ereignisse von 1848 gründete er in Driburg den „Verein der Volksfreunde“ und trat in öffentlichen Reden für die Verwirklichung demokratischer Rechte ein. Der junge Arzt war jedoch kein eifernder Revolutionär, vielmehr glaubte er seine Mitmenschen allein mit Worten von der Notwendigkeit einer demokratischen Staatsordnung überzeugen zu können. 1854 wurde er zum Mitglied der Driburger Stadtverordnetenversammlung gewählt. Bis 1860 hat er die Geschicke der Stadt Driburg mitbestimmt. Vier Jahre war er Schrift- bzw. Protokollführer. Von 1862 an vertrat Weber dann für mehr als 30 Jahre den Wahlkreis Höxter-Warburg im Preußischen Abgeordnetenhaus in Berlin. Als Mitglied der Zentrumsfraktion nahm er die damaligen Möglichkeiten wahr, die einem Volksvertreter an politischer Einflussnahme zugestanden wurde.

Eigene Familie

Alle seine Aufgaben hätte Weber nicht erfüllen können, hätte ihm nicht in Anna Gipperich eine kluge und verständnisvolle Lebensgefährtin zur Seite gestanden. Sie war die Tochter eines königlichen Bergbaubeamten, anmutig und heiter, kunstverständig und naturliebend. Der junge Arzt hatte sie bei einem Patientenbesuch in Altenbeken kennen gelernt. Am 30. Januar 1850 fand die Hochzeit statt.

Dem jungen Paar wurden zwei Kinder geboren, eine Tochter, Elisabeth, die des Vaters Liebling wurde und ihm in ihrem späteren Leben hilfreich zur Seite stand, und ein Sohn, der den Namen des Vaters erhielt und sich auch für den gleichen Beruf entschied. Webers literarisches Schaffen hat unterschiedliche Ergebnisse gehabt, da in seinem ganzen Tun die ärztliche Hilfe unbedingte Priorität besaß und er seine poetischen Erzeugnisse mehr als das Ergebnis einer Nebenbeschäftigung ansah. Während ihm die Epen „Dreizehnlinden“ und „Goliath“ und einige andere Dichtungen eine längere Beschäftigung mit der Thematik und der poetischen Form abverlangten, sind ihm die Gedichte nach eigenen Worten vielfach „wie von außen zugefallen“, ohne sich besonders um sie mühen zu müssen.

Hinwendung zur Dichtung

Den Inhalt seiner Gedichte nahm er hauptsächlich aus dem eigenen Erfahrungsbereich. Menschliches Schicksal, das Leben der Natur, persönliche Erlebnisse und religiöse Inhalte sind die bevorzugten Themenbereiche seiner dichterischen Gestaltung. Doch ließ er auch politische und historische Themen nicht aus. So entstanden epische Gedichte, Balladen und Romanzen von beachtlicher Qualität. Seine Spruchdichtung, in der in kurzer, treffender Weise Lebensweisheiten formuliert sind, ist meisterhaft gestaltet. In Webers gesamtem dichterischem Werk spiegelt sich die Geisteshaltung wieder, aus der heraus er sein Leben gestaltet hat.

Hauptwerk Dreizehnlinden

Hohes Lob erteilt er der ehrlichen Arbeit, dem überlegten Entschluss und der hilfreichen Tat. Tiefe Anteilnahme bringt er dem Schicksal der Schwachen, Armen und in Not Geratenen entgegen. Berühmt geworden ist Friedrich Wilhelm Weber durch das Epos „Dreizehnlinden“, das er als 65-jähriger 1878 der Öffentlichkeit übergab. Darin ist die Überwindung des Heidentums durch das Christentum im heimatlichen Nethegau behandelt. Sehr beachtenswert ist, dass einmal dieses Werk im gesamten deutschsprachigen Raum Verbreitung gefunden hat, außerdem ganz oder teilweise in die holländische, flämische, französische, rumänische, albanische und lateinische Sprache übersetzt worden ist und in mehr als 1 Million Exemplaren verbreitet werden konnte.

Das zweite Epos „Goliath“, das 1892 erschien, erlangte trotz der sehr bemerkenswerten Qualität der dichterischen Gestaltung einen weit geringeren Bekanntheitsgrad als „Dreizehnlinden“. Den Inhalt dieses Werkes bildet eine norwegische Bauerngeschichte, in der, umwoben von meisterhaften Naturschilderungen des Nordlandes, das Schicksal zweier Liebender dargestellt wird, die, dem harten Gebot des greisen Vaters folgend, auf den gemeinsamen Lebensweg und das damit verbundene Lebensglück verzichten.

Wohnort Schloss Thienhausen

Nachdem die Familie Weber 26 Jahre in Driburg gewohnt hatte, zog sie 1867 auf das Wasserschloss Thienhausen. Der Freiherr Guido von Haxthausen, ein Vetter der Droste und mit Weber befreundet, hatte das Schloss geerbt und Weber gedrängt, dort seinen Wohnsitz zu nehmen.

Schon vor der Herausgabe eigener Werke hatte Weber sich mit der Übersetzung fremdsprachlicher Dichtung befasst. Gedichte englischer schwedischer und dänischer Autoren, deren Muttersprache er im Selbststudium erlernt hatte, brachte er in deutschen Fassungen heraus, die damals viel beachtet wurden.

Lebensende in Nieheim

Nachdem die Familie Weber 20 Jahre auf Schloss Thienhausen gelebt hatte, zog sie 1887 in ein eigenes Haus nach Nieheim. 1893 legte er sein Abgeordnetenmandat nieder. Sein ärztliches Wirken und sein dichterisches Schaffen endeten gar erst kurz vor seinem Tod am 5. April 1894.